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Andreas Recklingloh

07. Juli 2021

Einhörner - und wo sie zu finden sind

Andreas Recklingloh, Associate bei Lazura Corporate Finance, informiert über die 4 Hauptgründe, warum die deutsche StartUp-Landschaft in 2021 so viele Einhörner hervorbringt

  • Einhorn V2
  • Gorillas; im letzten Jahr konnte man bereits viel über das Berliner Start-Up von Kagan Sümer mit dem Tiernamen hören. Passender wäre vielleicht auch Gepard gewesen, denn zweifelsfrei ist Gorillas für eine Sache bekannt: Schnelligkeit. In teilweise unter 10 Minuten erhalten Kunden in Metropolregionen ihre Lebensmittelbestellungen, womit Gorillas den herkömmlichen Lebensmitteleinzelhandel gehörig unter Druck setzt. Bis vor kurzem bezog sich das Thema Schnelligkeit jedoch ausschließlich auf die Lieferungen. Mittlerweile ist abzusehen: Schnelligkeit ist Teil der Unternehmens-DNA, denn noch nie stieg ein deutsches Start-Up so schnell zu einem Einhorn (Unicorn) auf wie Gorillas.

    Ganz schön viele Tiernamen, die sich in diesem Beispiel tummeln. Für alle, die sich in diesem Dschungel noch nicht zurechtfinden: Als Einhorn wird ein Start-Up mit Digitalbezug bezeichnet, das durch Finanzierungsrunden eine Unternehmensbewertung von über 1 Mrd. US-Dollar erzielen konnte und (noch) nicht börsengelistet ist. So ist beispielsweise das ebenfalls in Berlin ansässige Unternehmen Auto1 vor kurzem durch einen Börsengang dieser Kategorie entwachsen, und der Münchner Anbieter für Unternehmenssoftware Celonis hat sich durch seine Finanzierungsrunde in Höhe von 820 Mio. € im Juni 2021 sogar zu einem sogenannten „Decacorn“ entwickelt und wird nun mit über 10 Mrd. US-Dollar bewertet.

    Doch was führt dazu, dass zur Jahreshälfte 2021 in Deutschland bereits doppelt so viele Einhörner geboren wurden, als im Jahr davor – geschweige denn zu den Jahren davor? Wir haben 4 Trends identifiziert, die das Jahr 2021 besonders stark macht.

    1. SaaS-Modelle als Investorenmagnet

    Software-as-a-Service Geschäftsmodelle sind nicht erst seit Kurzem das Non-Plus-Ultra für Venture Capital Investoren. Aus Investorensicht ergibt dies Sinn: Kein Risiko für fehlerhafte Hardware, keine hohen Produktionskosten pro verkaufter Software-Lizenz, und nach der Entwicklung können hohe Margen erzielt werden. Gerade cloudbasierte Softwarefirmen, die sich auf den B2B-Markt fokussieren, erfahren hier unglaubliche Beliebtheit. Unternehmen wechseln auf Grund des großen Aufwands nur ungern bereits installierte Software, was dazu führt, dass die Absprungrate sehr gering ist und es zu einem sogenannten Lock-In-Effekt kommt. Resultierend daraus werden die aktuellen Umsätze im Rahmen der Unternehmensbewertung für die Zukunft ohne Probleme fortgeschrieben, sodass hier häufig eine 10-100-fache Bewertung dieser jährlich wiederkehrenden Umsätze zustande kommt.

    2. Nachholeffekt aus 2020

    Im Jahr 2020 kam es dazu, dass kaum Nachrichten über deutsche Einhörner veröffentlicht wurden. Durch die sich seit Februar 2020 in Deutschland ausbreitende Corona-Unsicherheit waren viele VCs anfangs eher darauf bedacht, ihre Portfolio-Unternehmen strategisch zu unterstützen und weniger Folgeinvestments oder neue Investments einzugehen, denn auch VCs wollten in dieser Phase nicht zwingend „ein totes Pferd weiterreiten“. Diese verhaltene Investitionsstimmung führt dazu, dass die Töpfe der Venture Capital Firmen im aktuellen Jahr 2021 deutlich praller gefüllt sind und mehr Geld im Markt vorhanden ist, als es spannende Investmentmöglichkeiten gibt: Somit entsteht ein Wettbewerb um die Investmentmöglichkeit in die wirklich herausragenden Start-Ups in Deutschland. In Verbindung mit der begrenzten Laufzeit der Fonds und dem damit verbundenen Investitionsdruck auf Investorenseite kommt es unweigerlich zu steigenden Bewertungen und mehr Einhörnern in Deutschland.

    3. Corona als Innovationsbeschleuniger

    Wer hätte sich noch 2019 vorstellen können, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter bitten, sich ins Homeoffice zu begeben? Mittlerweile ist Remote-Working nicht mehr wegzudenken und wird in Zukunft auch nicht mehr komplett aus dem Arbeitsalltag verschwinden. Allein dieses Beispiel zeigt, dass Corona einen starken externen Effekt auf die Innovationskraft in Unternehmen hat und hier viele digitale Trends beschleunigt werden. Ehemals kleine Start-Ups erfahren so plötzlich extreme Relevanz und etablieren hier einen Wissensvorsprung vor teilweise größeren Wettbewerbern, die diese (ehemalige) Nische vorher nicht besetzen wollten.

    4. Mangelnde Aktien-Kultur in Deutschland

    Seit 2020 entdecken die Deutschen durch Anbieter wie TradeRepublic (ebenfalls ein deutsches Einhorn) wieder Aktien als Geldanlageform für sich. Doch im Prinzip ist Deutschland in den Jahren zuvor niemals wirklich dafür aufgefallen, dass seine Einwohner ihr Geld vermehrt in Aktien investieren. Dies bestätigt sich auch durch die Aussagen des deutschen Finanzministers Olaf Scholz, der persönlich sein Geld präferiert auf dem Sparbuch hortet. Diese vermeintlich vorsichtige Anlagementalität schlägt sich ebenfalls auf die IPOs in Deutschland nieder: Während 2020 in den USA 222 Firmen an die Börsen gingen, waren es in Deutschland lediglich 6 – trotz eines Anstiegs im Jahr 2021 hat sich Deutschland allerdings immer noch nicht als Aktienland etabliert, und IPOs stellen bei den Exits von Start-Ups die absolute Minderheit dar. Auch zeigt das iterativ gewachsene Private Equity und Venture Capital Umfeld immer mehr, dass ein IPO nicht zwingend die einzige Möglichkeit darstellt, Wachstumskapital auch im hohen Umfang zu generieren: ein Exit wiederum, wird am häufigsten als Trade Sale an strategische Investoren durchgeführt, wie der Milliardenexit des Münsteraner Start-Ups Flaschenpost an Dr. Oetker beweist.

  • Bisschen Groesser